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Das Geheimnis der Sexiness

Wie Michael Bully Herbig und die 3D-Animatorin Mascha Jürgens die Computerfigur Lissi zum Leben erweckten

 „Lissi ist die schönste Frau der Welt und hat große Ähnlichkeit mit mir.
Da gab es erst einmal ein paar Sekunden Schweigen.”

Interview mit Bully Herbig

Nach dem Millionenerfolg seiner Kinoparodien wollte sich der Filmemacher und Produzent Michael Bully Herbig 2004 einen besonderen Traum verwirklichen: einen deutschen Computer-Animationsfilm, der es mit internationalen Meilensteinen des Genres wie TOY STORY und FINDET NEMO aufnehmen konnte. Mit dem Münchner Spezialeffektstudio Scanline realisierte er das Projekt in fast dreijähriger Arbeit: LISSI UND DER WILDE KAISER. Als entscheidend stellte sich dabei seine Zusammenarbeit mit den "3D characterAnimators" heraus. Diese Künstler erwecken die dreidimensionalen Hauptfiguren eines Computer-Animationsfilms zum Leben. Die Titelheldin Lissi war dabei besonders schwierig zu gestalten, weil sie Ähnlichkeit mit Bully haben sollte.

Die Szene
Die österreichische Kaiserin Lissi (Stimme: Bully Herbig) will ihren Gatten Franz (Christian Tramitz) mit einem stilvollen Striptease überraschen, während der Feldmarschall (Rick Kavanian) den Whirlpool in Bewegung bringt. Just in diesem Moment wird Lissi von dem wilden Bergbewohner Yeti (Waldemar Kobus) entführt. Zwischen dem Entführer und seinem Opfer entwickelt sich schnell eine besondere Beziehung ...

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Das Tolle am Beruf des Animationsregisseurs ist, dass man eine komplett neue Welt erfinden kann. Wie sollte die Figur der Lissi werden? 

Bully: In erster Linie entwickelt man die Figuren ja so, dass sie zur Geschichte und zum Drehbuch passen. Und bei Lissi war es so: Lissi sollte die schönste Frau der Welt sein. Es gab ein erstes Briefing mit den Animatoren und mit den Computer Artists und das hieß: Die Lissi ist die schönste Frau der Welt – und hat Ähnlichkeit mit mir. Das ist ein ganz klares Briefing. Es gab dann erst einmal ein paar Sekunden Schweigen. Aber das war dann auch die Herausforderung – letztendlich kann man natürlich mit so einer Animationsfigur am Ende des Tages sehr viel anfangen und anstellen. Das Schwierige ist nur, dass man natürlich ein Bild im Kopf hat und dass man sich über viele, viele Tage und Wochen an diese Figur rantastet. Die Figur wird ja nicht gleich aus dem PC geboren – es gibt leider am Computer noch nicht diesen “Make it Nice“-Button. Man muss alles, was in einem Animationsfilm zu sehen ist, erst einmal entwerfen – ob das ein kleiner Zahnstocher ist oder eine ganze Landschaft. Und so ist es mit eben auch mit den Figuren. Es gibt Zeichner, die werden gebrieft, mit denen spricht man, und da gibt es auch mal Vorbilder – da sagt man auch: Nimm dir ein bisschen was von Heinz Erhardt, oder der sieht ein bisschen aus wie Marty Feldman, der sieht ein bisschen aus wie Bully oder die sieht ein bisschen aus wie Bully. Und dann wird gezeichnet. Dieser Prozess allein dauerte fast ein Jahr. Ein Jahr lang wurde entwickelt, gezeichnet, gemacht, getan, bis man den Look für den Film gefunden hatte.

Mascha, wann beginnt dann deine Arbeit? Bekommst du schon eine fertige Figur?

Mascha: Ich beginne, wenn die "Characters" vom Regisseur abgenommen sind. Wenn er mit dem Aussehen zufrieden ist, wird dieser "Character" gemodelt, also ein 3D-Bild erstellt. Dann kriegt dieser "Character" zusätzlich noch sogenannte Anfasser, damit die Animatoren die Figuren bewegen können. Alles virtuell, alles in 3D.

B.: Bevor der Prozess des Computer Artists beginnt, werden sogenannte "Maquettes" aus tonähnliche Masse gemacht. Dafür gibt es extra Leute, die das richtig studiert haben, die kommen aus dem Kunstgewerbe und setzen dann sozusagen die Zeichnungen in Tonfiguren um. Die kann man sich dann von allen Seiten angucken, und die müssen dann auch anatomisch korrekt sein.

M.: Das ist wirklich eine sehr enge Arbeit zwischen den Menschen, die modellieren, die quasi das 3D-Bild erstellen, und den Animatoren. Denn die Animatoren wissen am besten, was sie danach mit der Figur überhaupt anstellen können.

Dann steht also eine Figur vor dir, mit der du dich anfreunden, und die du zum Leben erwecken musst. Wie machst du das?

M.: Erst einmal liest man natürlich das Drehbuch, damit man weiß, worum es geht. Dann gibt es Charakterbeschreibungen für jeden "Character". Z.B. Lissi ist so fröhlich, sieht wie Bully aus ...

B.: Das reicht eigentlich schon ...

M.: Ja, genau. Bevor wir mit einer Szene, mit den Animationen, anfangen haben wir immer ein Meeting mit dem Regisseur, also in dem Fall mit Bully. Wir haben dieses Meetings immer auf Video aufgenommen, weil alles, was Bully uns vorgespielt hatte, wir als Referenz gebraucht haben. Z.B. wie er sich Bewegungen vorgestellt hatte, das war für uns sehr wichtig – das zu sehen und das dann alles umzusetzen.

Ist es wichtig, wenn man eine Frau zum Leben erweckt, dass man selber eine Frau ist?

B.: Auf jeden Fall, das ist superwichtig! Ich würde unbedingt empfehlen, dass eine Frau von einer Frau auch animiert wird. Übrigens an der Stelle: Es heißt Animator und nicht Animateur, dazu nur so viel. Das liegt einfach an den Bewegungen. Nehmen wir mal ein Beispiel: Lissi flüchtet, muss schnell laufen, und das auf hohen Pumps. Ja, da breche ich mir alle Haxen, wenn ich das vorspiele. Also gibt es einen langen Gang, und dann sagt man: Komm, Mascha, lauf! Dann läuft Mascha, und es wird gefilmt. Es gibt auch eine Tanzszene in dem Film, da haben wir uns eine Tänzerin geholt und haben vorher die Choreografie mit einem Choreografen erarbeitet. Ich habe das dann von allen Seiten mit meiner Videokamera gefilmt, wie ich es mir vorstelle. Das bekam Mascha dann als Vorlage. Und ich glaube, eine Frau – korrigiere mich, aber ich glaube, eine Frau tut sich da wesentlich leichter.

Du kriegst irgendwann die Szenen im Rohentwurf und siehst, wie sich die Figur bewegen wird. Was sagst du dann als Regisseur dazu?

B.: Ich habe eigentlich permanent, zwei Jahre lang oder zweieinhalb Jahre lang, während dieser ganzen Arbeit an diesem Film dumme Fragen gestellt. Es war für mich der erste Animationsfilm, es war also “learning by doing“. Ich glaube unterm Strich waren es fast zwei-, dreihundert Mitarbeiter, die natürlich immer zu unterschiedlichen Zeiten da waren. Ich habe immer wieder gefragt: Geht das so, kann man das so machen? Weil ich vorher auch einfach nicht wusste, wie dieser ganze Prozess funktioniert. Ich bin aus diesem Grund vielleicht auch ein Stück weit naiver oder anders an die Sache rangegangen – weil ich den Film genau genommen inszeniert habe wie einen richtigen Film. Für mich war die Vorstellungskraft, die man bei einem Animationsfilm braucht, das Komplizierteste. Wenn erste Entwürfe kamen, wo Animatoren oder Profis aus diesem Metier ganz locker sagen: Ja, das und das kommt später. Da saß ich da und sagte: Aber das sieht ja noch gar nicht fertig aus! Da musste man sich eben mit Vorstellungskraft rantasten. Dann wird Einstellung für Einstellung animiert – frame by frame – 24 Bilder pro Sekunde. Das muss man sich mal vorstellen, wir hatten in diesem Film über tausend Einstellungen, über tausend Shots, wo jede Bewegung, jede Augenbraue, jeder Arm, jede Schnellbewegung, jede grobe Bewegung auf das Timing und zum Spiel passen, das war mir ganz wichtig. Mir war nicht so wichtig, dass sich im Hintergrund vielleicht Gräser oder Bäume bewegen – mir war wichtig, dass die Figuren richtig spielen, dass ich denen glaube, dass sie traurig oder komisch sind. Da kriegst du natürlich am Anfang ein relativ grobes – wie haben wir das immer genannt "Blocking"?

M.: "Blocking", ja.

B.: Beim Wort "Blocking" wusste ich immer: Oh, jetzt wird’s gefährlich. "Blocking" war immer so... [führt ausdrucklose, abgehackte Bewegungen vor]

M.: Das sind immer die "Key-Posen" quasi – na ja, so schlimm war das nicht.

B.: Nach dem "Blocking" kam die Grobanimation. Da hat das Gesicht sich schon bisschen bewegt. Aber die Augen! Ich hab dann immer gesagt – das gab dann den Ausdruck "schielen" und "fischeln". "Fischeln" muss ich erklären, das habe ich so genannt, weil ich immer so dachte: Die gucken doch so! Das ist für mich fischeln. "Schielen" ist klar. Sich über dieses Grobe ins Detaillierte heranzutasten war für mich eine große Herausforderung, weil es für mich neu war. Nach der Grobanimation kam dann die Feinanimation, vor denen ich immer Angst hatte. Denn es gab dann auch Fein-Feinanimation, und nicht selten auch eine Fein-Fein-Fein-Feinanimation. Weil man sich dann halt so ein bissel herangetastet hat.

M.: Ja, weil du die Szenen nicht einfach sofort abgenommen hast, mein Gott ...

B.: Ja, ich habe nicht sofort abgenommen! Weil ich dauernd vor dem Computer saß [simuliert einen Bierbauch].

Kannst du dich an bestimmte Regieanweisungen erinnern, die dir Bully für Lissi gegeben hat?

M.: Oh mei, das waren Tausende!

B.: Ich habe sie alle aufgeschrieben. Nein, aber es gab wirklich jemanden, Andrea, die wirklich über zweieinhalb Jahre lang alles protokolliert hat, was ich gesagt habe. Damit die Animatoren so nah wie möglich an die Idee des Films rankommen. Ich bekam irgendwann eine Paranoia, weil jedes Wort, das ich gesagt habe, mitgeschrieben wurde.

Mascha, gibt es eine Lieblingsszene, von der du sagst: Da ist Lissi mir besonders gut gelungen – wie sie sich bewegt, was sie macht?

M.: Ja, das ist die Performance, wo Lissi im sexy Outfit für den Kaiser tanzt. Das ist eine sehr schöne Szene. Aber es gibt sehr viele Szenen, die mir ans Herz gewachsen sind. Ich kann da leider nicht objektiv sein, welche besser oder schlechter ist.

Was war das Schwierige an der Tanzszene?

M.: Na ja, Lissi ist ein "3D Character", sie existiert also ja nicht einmal. Das ist alles virtuell und trotzdem muss sie sexy sein. Sie muss mit minimalen Bewegungen, mit "Facials" [Animation der Gesichtszüge, Anm. d. Red.] alles zeigen. Menschen können viel mehr durch Mimik und Gestik ausdrücken. In der Animation, in 3D, musst du wirklich ganz genau vorgehen und wirklich so minimale Sachen animieren, damit das real aussieht und sexy und dass die Menschen sagen: Wow! Die Männer reagieren ...

B.: Absolut, die Männer reagieren auch! Da gibt es einen Shot, der ist auch im Trailer, da guckt sie über die Schulter und zieht nur ganz leicht die Augenbraue hoch. Und da denkst du dir: Mein lieber Schwan – ist das ein Feger! Und das bei einer Animationsfigur! Da denkst du dir auch: Irgendwas stimmt mit mir nicht. Aber das ist genau das, was Mascha meint: Es ist sehr schwer, Menschen zu animieren. Nicht umsonst werden sehr viele Tierchen animiert, das funktioniert sehr einfach, weil man bei Tieren keine so große Referenz hat. Ein Eichhörnchen reißt die Augen auf, und dann ist es putzig. Bei einem Menschen, der viele emotionale Facetten hat, muss man erst mal hinkriegen: a) vom Design und dann b) auch von der Animation. Das ist ganz, ganz schwer, und ich ziehe meinen Hut vor den Animatoren, die das hinkriegen.

M.: Das ist auf jeden Fall eine große Herausforderung, weil jeder Mensch weiß, wie ein anderer Mensch sich bewegt. Unsere Charaktere sehen teilweise sehr cartoony aus, also sehr übertrieben. Lissi sieht z.B. eher realistisch aus – das war eine große Herausforderung, sie so zu animieren, dass man ihr abkauft, dass sie wirklich lebt.

Hast du dir die sexy Augen irgendwoher abgeschaut?

M.: Jeder Animator hat natürlich auf dem Tisch einen Spiegel, um während einer Animation ein bisschen etwas zu versuchen und das zu kontrollieren. Aber die eigentliche Referenz war Bully für uns, weil er manchen Szenen wirklich im Close-up für die Kamera vorgespielt hat.

Du hast dann in den Spiegel geschaut und gesagt, jetzt ...

M.: Ja, ja. Das mit der Augenbraue weiß ich auch ziemlich genau, wie das kam. Ich habe einfach gedacht, wenn sie jetzt so ein ganz kleines bisschen die Augenbraue hochhebt, dann wird das toll. Bully mochte das sofort. Das war ein gutes Zeichen, dass alles richtig ist ...

B.: Und ich weiß nicht, ob das, wenn das ein Kerl animiert hätte, auch so sexy geworden wäre. Kommt wahrscheinlich auf den Kerl an, ich weiß nicht ...

Welche Szenen waren am schwierigsten hinzukriegen? Könnt ihr euch daran erinnern?

M.: Das sind meistens die Szenen, in denen der "Character" erst einmal komplett im Bild zu sehen ist, wenn man also auch die Füße sieht. Oder auch wenn er rennt oder läuft, das war immer ziemlich schwierig.

B.: Das Verrückte ist, dass beim Animationsfilm die Dinge, die beim Realfilm eigentlich überhaupt nicht zur Diskussion stehen, plötzlich zum Problem werden – Haare, Klamotten, Wasser. Da muss man bei der Animation schon drauf achten. Ich habe z.B. etwas vorgespielt und mir dabei in die Hosentaschen gefasst. Da gucke ich in so eine ganze Reihe von Animatoren, die dasitzen und nur den Kopf schütteln. Dann sage ich: Okay, das geht nicht. Dann Haare kratzen. Und sie sagen. Nein, wenn du dir an den Kopf fasst, dann bitte nur an den Hinterkopf. Das heißt: Alle Kontakte mit Stoff, Haaren, streckenweise auch Wasser ist wahnsinnig kompliziert und sehr aufwendig. Da versucht man sich ein bisschen durchzumogeln, in dem z.B. in dem Moment, in dem jemand in die Tasche greift, die Kamera gerade an einem Baum vorbeifährt, oder man sich kurz eindreht, oder man versucht, den direkten Kontakt durch eine Körperbewegung oder durch eine Drehung zu kaschieren. Das sind alles so Dinge, auf die bist du am Anfang nicht vorbereitet, das musst du erst lernen. Die komplizierteste Figur war, was das betrifft, unser Yeti, der ja nur Fell hatte – Fell, Fell, überall Haare. Ich habe schon aus Spaß gesagt: Der nächste Film, den wir machen, wird YETI UND SEINE BABYS. Dann sind wir zehn Jahre beschäftigt.

Mascha, gibt es ein Beispiel, bei dem du gesagt hast: Jetzt improvisiere ich mal und dann schauen wir uns das gemeinsam mit Bully mal an?

M.: Nein. Es ist sehr wichtig für einen Animator, dass der Regisseur genau weiß, was er will. Und in unserem Fall wusste Bully ganz genau, was er haben will. Dadurch, dass er uns alles vorgespielt hat – er hatte wirklich schon alles im Kopf, wie jeder "Character" sich bewegen sollte, was in dieser und jener Szenen passieren sollte –, hatten wir es eigentlich sehr leicht. Wir mussten uns also nicht so sehr entfalten und uns  etwas aus den Nasen ziehen. Bully war da, und der wusste genau – und wir haben es nachgemacht. Das ist trotzdem schwierig und man muss dennoch kreativ sein.

B.: Sie haben sich danach orientiert, aber es war nicht sklavisch. Wenn jemand kam und sagte: Hier, guck mal, an der Stelle könnte doch vielleicht noch so ein kleiner Schieler kommen oder so – dann habe ich so was immer dankend angenommen, wenn es reingepasst hat. Wenn ich spontan gelacht habe, dann hat es mir auch gefallen.

M.: Aber sehr frei waren wir eigentlich nicht. Aber das fand ich auch gut, sehr interessant. Und das Timing war wichtig: Als Animator musst du das auch selbst fühlen können und vom Regisseur das auch bekommen, dieses Timing von Bewegungen. Das ist wirklich so wertvoll – und das kommt sehr selten vor.

Gibt es etwas in dem Film, von dem du sagst: da bin ich sehr stolz drauf?

M.: Ich bin allgemein sehr stolz auf Lissi, so wie sie geworden ist. Sie sieht Bully von Gesichtszügen her schon sehr ähnlich, aber auch wie sie sich bewegt, wie sie drauf ist, wie lustig sie ist und nett ...

Bully, was zeichnet einen guten Animationsregisseur aus?

B.: Das ist sehr schwer zu beantworten, weil das mein erster Animationsfilm war. Es gibt Leute, die da durchaus mehr Erfahrung haben als ich. Ich gehe immer an die Sache so ran, wie ich es selber gern sehen würde. Ich habe den 3D-Animationsfilm so gemacht, wie ich ihn mir so vorgestellt habe. Da ist es für die Animatoren und die Leute, die das dann umsetzen, sehr wichtig, dass man sich klar artikulieren kann, dass man seine Visionen und seine Vorstellung klar formuliert. Das ist immer sehr schwierig, wenn man vor zwanzig Leuten sitzt und die schauen einen an und stellen Fragen – und dann sitzt man womöglich da und sagt: Ja, bietet mir doch mal was an. Das ist für mich nicht unbedingt die Vorstellung, wie man an einen Animationsfilm rangeht. Die sind süchtig nach Input – die wollen wissen: Wie will er das haben, wie schnell, wie gut, wie groß? Wie sieht die Berglandschaft aus, wie bewegt sich ein Charakter, wie sieht der Schnitt aus, wie ist das Timing – und der Rhythmus des ganzen Films? Das gibst du sozusagen vor, du bist im wahrsten Sinne des Wortes eine Art Dirigent. Ich sitze ja nicht selbst am Computer.

Gibt es einen deutschen Animationsfilm, der dich beeindruckt hat?

B.: Ich fand damals den ersten deutsche 3D-Animationsfilm ganz toll – das war BACK TO GAYA.

Liebst du auch die älteren, die klassischen Zeichentrickfilme? Sozusagen die Entwicklung des Genres?

B.: Klar – jeder ist mit den Zeichentrickfilmen aufgewachsen. Wobei ich an der Stelle wirklich ganz deutlich sagen möchte: Ein Zeichentrickfilm ist kein 3D-Animationsfilm. Es gibt viele verschiedene Varianten der Tricktechnik. Es gibt die Stop-Motion-Technik wie in WALLACE & GROMIT oder klassischen Zeichentrickfilm wie bei Disney. Auch so was wie WERNER ist Zeichentrick. Und dann gibt es eben den 3D-Animationsfilm, wie eben BACK TO GAYA, URMEL – und eben jetzt LISSI. Aber ich bin natürlich – jeder von uns ist mit Zeichentrickfilmen und -serien aufgewachsen. Der erste Film, den ich jemals im Kino gesehen habe oder zumindest zur Hälfte gesehen habe, weil ich noch zu klein war und die Leute vor mir größer waren, war die obere Hälfte von ASTERIX. Und natürlich bin ich mit WICKIE UND DIE STARKEN MÄNNERN aufgewachsen. Das war für mich jeden Donnerstag, 17:10 Uhr ein fixer Termin.

Hattest du damals schon die Idee, das einmal selbst zu machen?

B.: Immer! Meinen ersten Zeichentrickfilm wollte ich damals mit zehn machen. Ich habe angefangen zu zeichnen – Sommerferien. Während die anderen draußen Fußball gespielt haben, wollte ich meinen Zeichentrickfilm machen. Dann habe ich aber festgestellt, dass man für eine Sekunde Film 24 Bilder braucht und nach zwei Sekunden ist mir dann sozusagen der Stift ausgegangen, und ich habe das Projekt auf Eis gelegt. Jetzt, fast dreißig Jahre später, habe ich mir diesen Traum erfüllt.

Ein Satz zum Ergänzen: Kino ist...?

B.: Kino ist für mich ganz persönlich ganz einfach große Unterhaltung: große Leinwand, großer Ton, große Bilder, große Emotion und – bestenfalls zwei Stunden lang – eine große Abwechslung...

Welcher andere Beruf beim Film würde dich reizen?

B.: Natürlich würde das Catering mich noch reizen – da sitze ich dann direkt an der Quelle.

Mascha, was macht den guten Animator aus?

M.: Ein guter Animator sollte ein bisschen ein Schauspieler sein. Denn man sollte sich, bevor man beginnt Figuren zu animieren, die ganzen Bewegungsabläufe vorstellen können und sich selbst einmal vorspielen. Man muss wissen, wie man mit dem eigenen Körper umgeht. Wenn ich mich bewege, wenn ich den Arm hochhebe – was passiert da als Erstes? Da kommt also erst mal mein Ellenbogen hoch und dann die Hand. Oder wenn ich bestimmte Gesichtsausdrücke haben will – wie würde ich das machen? Da muss man schon etwas schauspielern können. Natürlich sollte man das Handwerk auch lernen, weil das ein sehr komplexer Beruf ist. Man muss ein gutes Gefühl für das Timing haben: Und geduldig sein, weil es manchmal sehr schwierig ist, bestimmte Bewegungsabläufe wirklich schön hinzukriegen.

Kannst du beschreiben, wie du den Beruf erlernt hast? Wo du gearbeitet hast?

M.: Ich habe in St. Petersburg Zeichentrickfilm studiert. Dann habe ich in den Lenfilm-Studios gearbeitet, auch Zeichentrick gemacht, wirklich selbst gezeichnet, ganz klassisch. In Deutschland war ich dann in Köln, bei einem Trickstudio, und seit sieben Jahren mache ich jetzt 3D-Animationen. Mein erster Film war der erste deutsche 3D-Film, BACK TO GAYA, bei dem ich einen der Hauptcharaktere animiert habe. Der zweite Film war URMEL AUS DEM EIS, da habe ich Urmel animiert. Und mein größtes Projekt war jetzt LISSI UND DER WILDE KAISER.

Gab es einen Animationsfilm aus der Filmgeschichte, der dich besonders beeindruckt hat? Der auch deinen eigenen Vorstellungen entsprach?

M.: Das sind natürlich die Disney-Filme, das ist klar, das ist klassische Animation. Wie wunderschön das alles ausschaut! Die russische Sechzigerjahre-Animationfilme, sehen übrigens nicht schlechter aus als die Disney-Filme. DIE SCHNEEKONIGIN zum Beispiel ist ein russischer Animationsfilm, den gibt es auch auf Deutsch, soviel ich weiß, das ist ein Klassiker. Der ist sehr schön. Das war auf jeden Fall die gleiche Schule, wie Disney. Mich hat an diesem Beruf immer fasziniert, dass du der Figur, die du zeichnest, die nur aus Linien besteht, ein Leben und ein Charakter gibst  –  wie die Figur läuft, springt und lacht. Du spielst ein bisschen Gott, würde ich sagen.

Und ein 3D-Animationsfilm, der dich besonders beeindruckt hat?

M.: Mein erster 3D-Film, den ich gesehen habe, war TOY STORY. Der hat mich sofort umgehauen, weil der ganze Film ja wirklich nur aus Pixeln besteht, und die kannst du nicht anfassen. Bei Zeichentrick hast du wenigstens Papier, einen Bleistift und der Film existiert in irgendeiner gewissen Form. Früher gab es auch Folie, die man mit Farbe füllen, also kolorieren musste. Aber in 3D – da ist ja wirklich gar nichts, das ist alles virtuell, da sind nur Pixel – und diese Pixel können dich zu solchen Emotionen bewegen, das ist faszinierend.

Was bedeutet Kino für Dich?

M.: Kino ist für mich eine andere Welt. Das ist große Unterhaltung und das sind viele verschiedene Welten, wo du dich einfach wirklich hineinversetzen kannst – und mitfühlen kannst, mitlachen oder mitweinen oder mitfürchten. Das ist das Kino.

Wenn du nicht Animator wärst: Gibt es was anderes, was dich beim Film faszinieren würde?

M.: Schauspielerei steht ziemlich nah an der Animation, also vielleicht Schauspielerei. Regie finde ich auch sehr interessant, sehr spannend. Aber ich bin ja glücklich da, wo ich bin – und das passt schon.

Das Gespräch führte Tobias Kniebe. 

Michael "Bully" Herbig, geboren am 29. April 1968 in München, wurde nach seinem Realschulabschluss im Internat Schloss Brannenburg von der Münchner FHH abgelehnt und arbeitete ab 1992 als Moderator bei Radio Gong in München. Ab 1994 war er unter dem Pseudonym "Bully" als Morgenshow-Unterhalter bei Radio Energy zu hören; dort erhielt er eine erste Auszeichnung für die Comedy-Reihe "Die Bayern-Cops" (800 Folgen).

 

Herbig wechselt 1997 zum Fernsehen über, wo er auf Pro7 als Autor, Darsteller, Regisseur und Produzent für die wöchentliche "Bullyparade" verantwortlich zeichnet, die sich auf Western- und Science Fiction-Parodien spezialisiert. Dann beginnt er, in gleicher Personalunion, seine Fernsehfiguren ins Kino zu übertragen: das deutsch-türkische Proll-Paar "Erkan & Stefan" (2000), die Karl-May-inspirierten Winnetouch, Abahachi und Ranger in "Der Schuh des Manitu" (2001) sowie Captain Kork und Mr. Spuck in "(T)Raumschiff Surprise – Periode 1" (2004), einer Verballhornung von "Raumschiff Enterprise" und "Krieg der Sterne". Sein "Manitu" war mit 11,7 Millionen Kinogehern der erfolgreichste deutsche Film seit "Otto – der Film" mit 13,8 (1987), das "(T)Raumschiff" stand dem mit 9,2 Millionen kaum nach. Alle Herbig-Unternehmungen laufen über die Münchner HerbX Medienproduktion GmbH.

 

Nach der Titelrolle in der Gespensterkomödie "Hui Buh – Das Schlossgespenst", in dem auch seine langjährigen Freunde und Comedy-Kollegen Rick Kavanian und Christoph Maria Herbst mitwirken, wendet Herbig sich wieder einem eigenen Kinoprojekt zu: Der Animationsfilm "Lissi und der wilde Kaiser", eine Parodie auf die "Sissi"-Filme der 1950er Jahre, bleibt jedoch an der Kinokasse weit hinter den Erwartungen zurück und wird auch von der Kritik weniger positiv aufgenommen als Herbigs bisherige Genre-Parodien.

 

2008 ist Herbig in einer Kinohauptrolle als leibhaftiger Tod in Joseph Vilsmaiers "Die Geschichte vom Brandner Kaspar" (2008) zu sehen. Daneben widmet er sich seinem nächsten Filmprojekt, bei dem es sich einmal mehr um die Bearbeitung eines Klassikers der Popkulturgeschichte handelt: Er verfilmt "Wickie und die starken Männer" nach Runer Jonsson als Realfilm fürs Kino. Der Film startet im September 2009 mit großem Erfolg und lockt insgesamt rund fünf Millionen Zuschauer in die Kinos.

 

Dennoch konzentriert Herbig sich danach vorerst auf die Schauspielerei. So hat er einen kleinen Auftritt in Dani Levys "Das Leben ist zu lang" (2010) und übernimmt die Hauptrollen in Leander Haußmanns Tragikomödie "Hotel Lux" (2011) und Helmut Dietls Satire "Zettl" (2012), einer Art freien Kino-Fortsetzung von Dietls erfolgreicher 80er-Jahre Fernsehserie "Kir Royal". Mit "Buddy", den er schreibt und produziert und in dem er auch die Titelrolle eines planlosen Schutzengels spielt, kehrt Herbig 2013 auf den Regiestuhl zurück.

 

In Kooperation mit filmportal.de

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Michael Herbig

2013 Buddy
Drehbuch, Darsteller, Regie, Produzent
2012 Der Bernd
Mitwirkung
2010/2011 Hotel Lux
Darsteller, Co-Produzent
2010/2011 Zettl
Darsteller
2009/2010 Goethe!
Co-Produzent
2009/2010 Das Leben ist zu lang
Darsteller
2009 Wickie und die starken Männer
Darsteller, Regie, Produzent, Drehbuch, Casting
2009 Horst Schlämmer - Isch kandidiere!
Darsteller
2008 Die Geschichte vom Brandner Kaspar
Darsteller
2006-2008 Astérix aux jeux Olympiques
Darsteller
2006/2007 Lissi und der wilde Kaiser
Sprecher, Drehbuch, Produzent, Regie
2005/2006 HUI BUH - Das Schlossgespenst
Darsteller
2003/2004 (T)Raumschiff Surprise - Periode 1
Produzent, Darsteller, Drehbuch, Regie
2001-2004 Back to Gaya
Sprecher
2001/2002 Knallharte Jungs
Darsteller
2000/2001 Der Schuh des Manitu
Produzent, Darsteller, Drehbuch, Regie
2001 The Emperor's new Groove
Synchronsprecher
1999/2000 Erkan & Stefan
Regie